Texte
Alois Harbeck – expressiv, romantisch?
Eigensinnig auf jeden Fall!
Die erste Zeichnung schuf Alois Harbeck als Kind, krank im Bett liegend, mit Bleistift – ein Baum, seiner Blätter beraubt, Titel: Der böse Wind, 1948. Der Baum sollte zum zentralen Thema seiner Kunst werden und bildhaft für Gemüts- und Seelenzustände stehen. Auch im Akt, Porträt und in der Landschaft offenbart sich die unermüdliche Suche des Künstlers nach der ausdrucksstarken Form – eine Suche, die berührt.
Seit einigen Jahren lässt sich Alois Harbeck erstmals auf die Abstraktion ein. Sichtlich fasziniert von deren Ausdrucksmöglichkeiten, testet er sie aus und schlägt mit den abstrakten Bildern ein ganz neues Kapitel auf. Und doch bleibt er sich treu: meidet das rein Dekorative und zielt auf Expression. In einem langwierigen Prozess hat er nicht nur das Gegenständliche hinter sich gelassen. Auch das Dunkel ist aus seinen Bildern gewichen. Anstatt zur schwarzen Tusche greift er gerne zu farbenfroher Pastellkreide.
Alois Harbeck sucht die Vielfalt in wenigen Bildthemen, setzt auf Kontinuität und arbeitet oft gleichzeitig an verschiedenen Werkgruppen. Dabei geht es ihm immer um den Körper, denn in ihm steckt die Lebensenergie, die den Künstler umtreibt, ja die Triebfeder seiner Kunst ist. Den Körper zeigt er als Akt, entdeckt ihn vor allem aber als anthropomorphe Form in der Natur, besonders in Bäumen.
Dank seiner finanziellen Unabhängigkeit muß Alois Harbeck den Kunstmarkt nicht beachten. Die äußere trifft auf eine innere Autonomie, die ihn einen ganz eigensinnigen Weg beschreiten lässt. Seine Bildideen sind keiner Kunstrichtung zuzuordnen, wollen dies auch nicht. Sie entstehen im künstlerischen Prozess, intuitiv, ohne Vorzeichnung, ganz aus dem subjektiven Erleben. Und doch leuchten darin Themen auf, die uns alle bewegen.
Alois Harbeck zeichnet seit Kindertagen und bedient sich auch heute zumeist grafischer Techniken: von der Bleistift- über die Tuschzeichnung bis hin zum Pastell. Er ist ein virtuoser Zeichner, der nur in wenigen Ölbildern malerisch den Pinsel führt. Alles ist gut „gewerkt“, wie der Kunsthistoriker Professor Bernhard Rupprecht treffend bemerkte.
Dr. Ilka Kloten, KunsthistorikerinMünchen, 2018
Einführende Worte zur Eröffnung des Kunstraumes
am 21. Juli 2018
Ein lange gehegter Traum hat sich erfüllt. Alois Harbeck hat seine Bilder seit Jahrzehnten regelmäßig in Ausstellungen gezeigt und dabei immer wieder vor allem die neueste Produktion öffentlich gemacht. Aber schon lange dachte er darüber nach, seine Werke auch längerfristig zu zeigen und einen Überblick über sein gesamtes künstlerisches Schaffen zu bieten. Das letzte Mal, dass er eine derartige »Retrospektive« zeigen konnte, war 1995 in der Neuen Pinakothek in München und das war vergleichsweise nur für einen kurzen Zeitraum möglich. Mit seinem neuen Kunstraum kann er nun einen Überblick von seinen frühesten Zeichnungen bis heute bieten, wobei die letzten 30 Jahre besonders fruchtbar waren.
Obwohl die Räume, die er nun eingerichtet hat, voller Bilder sind, ist es doch nur eine Auswahl aus diesen vielen Jahren, eine Auswahl, die aber alle Phasen und alle Bereiche seines künstlerischen Arbeitens berücksichtigt. Die Ausstellungssituation ist perfekt für die Präsentation von Zeichnungen und Gemälden hergerichtet und die Abfolge der Räume ergibt die Möglichkeit, mit den Durchblicken auch Bezüge über die Räume hinweg herzustellen. Denn die Hängung der Werke folgt keinen streng eingehaltenen Kriterien, etwa der Chronologie ihrer Entstehung oder thematischen Gruppen. Beides klingt an und da Alois Harbeck immer wieder geradezu in Serien an seinen Sujets gearbeitet hat, bot es sich auch an, Gruppen zusammenzustellen, etwa besondere Konstellationen der Bäume oder Bilder, die sich mit Traum- und Albtraumhaftem befassen oder freie Farbphantasien. Da sich die Räume in einem Dachgeschoß befinden und unkonventionelle Lösungen der Präsentation gefunden wurden, entsteht immer wieder der Eindruck, man bewege sich im Studio des Künstlers. Der Intimität der Räume entspricht die Nahsichtigkeit, zu der viele Bilder Harbecks verführen. Den Betrachter, der bereit ist, sich darauf einzulassen, können sie wie in einen Sog aufnehmen. Aber die Durchblicke der Räume erlauben eben auch immer wieder Distanz zu gewinnen und die Fernwirkung gerade der größeren Werke zu erleben.
Das Zeichnen begleitet Alois Harbeck sein ganzes Leben lang. Als Kind schon fand er eine besondere Versenkung und auch Trost im Zeichnen, als Student der Münchner Kunstakademie entdeckte er die Vielfalt der Baumlandschaften, die er bis heute nicht ausgeschöpft hat. An der Akademie nur zu zeichnen, war ungewöhnlich, aber Alois Harbeck ist – bis auf wenige Ausflüge in die Malerei – diesem Medium bis heute treu geblieben. Keine andere Technik erlaubt es ihm in vergleichbarer Weise, den Gegenstand aus den Bewegungen der Hand heraus entstehen zu lassen. Die Bilder wachsen Strichlage um Strichlage, so wie ihre Sujets, die Bäume, im allmählichen Wachstum entstanden sind.
Bereits den jungen Künstler haben in erster Linie die alten Bäume beschäftigt, weil sie eben Geschichten – ihre Geschichte – zu erzählen haben. Diese Geschichten sind auf Grund ihres Sujets eben keine Händel zwischen Menschen, sondern Geschichten, die im Kopf jeden Betrachters individuell ablaufen. Deswegen greift eine auf die Biographie des Künstlers zielende Interpretation dieser Bilder sicher zu kurz. Es geht um Grundsätzliches, es geht um das Menschsein – obwohl man Bäume sieht – und es geht darum, den Betrachter in die Liniengespinste der Bilder mit einzubeziehen. Im Wechsel von Hell und Dunkel, von intensiven Strichen und dem hellen Aufleuchten des weiß belassenen Papiers gewinnen die Bilder ihre besondere Lebendigkeit. Mit dieser Technik und mit den anthropomorphen Landschaften hat sich Alois Harbeck schon früh eine eigene Bildsprache erarbeitet, der er seit Jahrzehnten treu geblieben ist, auch wenn es immer wieder Ausflüge in ganz andere Sujets gab und gibt, die Aktmalerei zum Beispiel.
In der Zeit seiner Ausbildung am Beginn der 1960er Jahre war die Diskussion um die abstrakte oder gegenstandslose Malerei tonangebend, doch der junge Künstler blieb dem Gegenstand verbunden. Seitdem ist ihm aber die gegenstandslose Kunst etwas gleichermaßen Rätselhaftes wie Begehrenswertes, eine Art Gral der modernen Kunst. Wie etwas darstellen, ohne etwas wiederzugeben? Diese Frage hat ihn immer wieder beschäftigt und gerade in den letzten Jahren ist er damit vielleicht am weitesten gekommen. Er hat sich vom Zurückphantasieren zu einer Figur, wenn man es so beschreiben kann, dass der Betrachter in den meisten seiner Bilder meint, etwas zu ›erkennen‹, er hat sich also vom Zurückphantasieren zu einer Figur in seinen neuen, gegenstandslosen Bildern befreit. Eine Reihe von farbigen Blättern trägt diese Abstraktion auch ins Malerische von Buntstift und Pastell. Mal stehen kühle Blautöne auf dunkelgrauem, mal gelb und orange leuchtende Töne auf hellgrauem Grund, der alles in eine harmonische Tonigkeit einbindet. Manches erinnert an im Verborgenen blühende Blumen, die starkfarbig aufleuchten – doch dies ist bereits wieder ein Herbeiassoziieren von Gegenständlichem, von dem der Zeichner sich doch gerade befreit hatte. Es entstehen diese Bilder auch, weil der Künstler Alois Harbeck nicht in Routine erstarren möchte. Immer wieder versucht er, sich selbst zu überraschen, dem Spiel der Phantasie freien Lauf zu lassen oder etwas auszuprobieren, das funktionieren kann und doch die Spannung der Gefahr birgt, scheitern zu können.
Wie die Frage nach Abstraktion und Gegenstandslosigkeit beschäftigt Alois Harbeck auch die Frage nach dem Kunstbetrieb immer wieder. Er ist ein Außenseiter geblieben, er musste und wollte nicht für einen Markt produzieren, so sehr er doch immer wieder Lust hat, seine Werke dem Publikum zu zeigen. Das hat den Nachteil, dass er im Kunstbetrieb nicht so positioniert ist, wie ein Künstler, der »sich« verkaufen muss. Das hat für Alois Harbeck den Vorteil, dass er nur das gemacht hat, was ihm ein wirkliches Anliegen war. Letztlich hat er seinen eigenen Weg unbeirrt verfolgt und kann inzwischen auf ein Werk zurückschauen, das diesen Weg bestätigt, auch ohne vom Kunstbetrieb mit offenen Armen aufgenommen zu werden. Und wie vieles ist in diesem Betrieb nur Schall und Rauch und Tagesaktualität, die bald schon wieder vergessen ist? Wie vieles wird ungeheuer wichtig genommen, nur um schnell wieder vergessen zu werden? Natürlich recken sich alle Betrachtungen und Gespräche über die aktuelle Kunst nach »den großen Namen« und vor allem nach den Preisen, über die man heute lieber spricht, als über die Inhalte der Kunst. Aber was muss das jemand wie Alois Harbeck kümmern? Er ist seinen Weg mit allen Neben- und Umwegen gegangen und er wird ihn auch weiterhin gehen. Dass dies nun jeder in seinem Kunstraum nachvollziehen kann, ist das Geschenk, das er sich selbst gemacht hat und allen anderen, die es annehmen wollen.
Dr. Andreas Strobl, Kunsthistoriker
Vorwort in "Alois Harbeck Neue Bilder",
München, 1997
Alois Harbeck, 1939 in München geboren, habe ich in einem umfassenden Sinne des Wortes als Liebhaber der Kunst kennengelernt. Mit einem Studium der Kunstgeschichte bei den Professoren Rupprecht und Bauer ist er nicht nur ein kenntnisreicher Freund und Förderer der Künste, sondern hat, selbst künstlerisch tätig im Bereich der Bildenden Kunst und der Literatur, in vielen Jahren ein mittlerweile umfangreiches Œuvre erstellt. Dabei hat Alois Harbeck mit unablässiger Beharrlichkeit und unabhängig von den Notwendigkeiten des Kunstmarktes an seinem großen Thema der Kunst gearbeitet: Der Befindlichkeit des Menschen in einer von der Ambivalenz von Gefangenheit und Erlösung geprägten Existenz. Die Studioausstellung mit Arbeiten auf Papier, die 1995 in der Neuen Pinakothek gezeigt wurde, kann hier beispielhaft angeführt werden. Sie konzentrierte sich auf das Thema seiner Naturerkundungen als Spiegel dieser menschlichen Befindlichkeit. Denn seine Baum- und Landschaftsarbeiten zeigen auf der einen Seite scheinbar kommentarlos Ansichten der Natur, sind durchaus traditionellen Darstellungsweisen verpflichtet. Auf der anderen Seite überschreiten sie doch zielstrebig die bloße Wiedergabe der Gegenstände, lassen Expressivität aufscheinen, geben den Dingen ein Eigenleben. Geschichte, wenn nicht gar eine Baumbiographie wird sichtbar, die metaphorisch von einer wechselseitigen Geistesverwandtschaft und einem wechselseitigen Schicksal erzählt. Dies ist dabei nur ein Thema im umfangreichen Œuvre des Künstlers, in dem das ›Emporringen der Bäume und die düsteren Leibestorturen‹, wie Harald Theml schreibt, ebenso wie die an piranesische Gefangennahme erinnernden Innenansichten von Kathedralen häufig nur der Kunst die Erlösung zuzugestehen scheinen.
Dr. Johann Georg Prinz von Hohenzollern, ehem. Generaldirektor der Bayrischen Staatsgemäldesammlung